Dienstag, 20. September 2011

Von Elefanten, bunten Lichtern und einer laaangen Zugfahrt

Wir sind zwar erst seit 14 Tagen in Indien, aber haben schon unglaublich viel erlebt!

Mit dem Flugzeug ging es von Frankfurt Richtung Chennai. In Chennai hatten wir dann erstmal eine ganze Weile Aufenthalt. Der erste Schritt vor das Flughafengebäude war wie vor eine Wand zu laufen: Eine feuchte mega Hitze und das Nachts um eins!
Von Chennai aus ging es dann mit einem bedeutend kleinerem, tiefgekühltem Flugzeug weiter nach Coimbatore, wo wir von der bezaubernden Malathi abgeholt wurden. Magic Malathi ist der 'mentor of mentors' und war die erste Woche für uns zuständig.

Unsere erste Fahrt durch Coimbatore zum KKID vermittelte uns einen ersten Eindruck von Indien. Die Straßen waren vollgestopft mit Menschen, Autos, Rollern, Bussen, Hunden, Ponys, Ziegen und Kühen. Ununterbrochen waren Hupen zu hören und tausend fremde Gerüche strömten auf uns ein.

Das KKID war ein wunderbarer Einstieg für uns. Hinter seinen hohen Mauern war es sauber, Blumen blühten, es gab Toilettenpapier und zum Frühstück sogar Toast! Tagsüber konnten wir mit Malathi ins 'reale' Indien los ziehen und abends in den sicheren Hafen KKID heimkehren und das Gesehene verarbeiten.

Am Donnerstag wurden wir mit drei Jeeps tiefer in die Berge gefahren, wo wir in einem kleinen Dorf einen Kindergarten und eine Schule besuchten. Die Erzieherinnen und Lehrerinnen mussten teilweise bis zu vier Kilometer laufen um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Der Kindergarten war drinnen und eher eine Art Vorschule, wohingegen die eigentliche Schule draußen unter einem Vordach war. Alle Kinder bis zur vierten oder fünften Klasse hatten zusammen Unterricht und trugen eine Schuluniform. Die Lehrerinnen erzählten uns, dass diese Schuluniform gesponsert wurde, da die Kinder oft nur ein Outfit besitzen würden.

Nach dem Kindergarten und Schulbesuch liefen wir noch ein bisschen durch das Dorf. Wirklich merkwürdig war, dass die Menschen, obwohl sie sonst nicht viel zum Leben hatten, doch alle Fernseher mit riesigen Boxen besaßen. Das scheint in Indien genauso üblich zu sein, wie das jeder ein Handy hat. Denn auch im nächsten Dorf, dass wir besuchten und das noch kleiner war, hatten die Menschen Fernseher in ihren Hütten.

In diesem zweiten Dorf blieben wir eine ganze Weile und unterhielten uns mit den Dorfbewohnern (Malathis Übersetzung sei Dank!). Sie beantworteten bereitwillig unsere Fragen und wir dafür im Gegenzug ihre. Das Thema 'Heirat' stand ganz vorne auf ihrer Interessenliste..
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Obwohl die Menschen in diesem Dorf sehr ärmlich und -aus unserer Sicht-mit veralteten Traditionen (z.B. mit arrangierten Ehen) leben, schienen sie glücklich zu sein. Passend zu dieser Annahme sangen wir Freiwilligen am Ende unseres Besuches im Kanon die Liedzeilen „Froh zu sein bedarf es wenig- und wer froh ist, ist ein König!“.

Am nächsten Tag ging es mit unserem Bus nach Coimbatore. Während der Fahrt durften wir uns moderne Musik indischer Stars mitsamt Videos anschauen. Für uns waren diese Videos teilweise sehr befremdlich, weil die Videos sehr auf westlich getrimmt wurden und eher wie eine überzogene Nachmache rüber kamen. Wir denken, das die indische Jugend sich neu definieren möchte, aber wäre es nicht schöner, wenn sie ihre ganz eigene Art finden würde, ihre Traditionen mit der Moderne zu verbinden? 
Genauso schade fanden wir die überall präsente Werbung für Hautbleichungsmittel und die unglaublich hellen Menschen auf Werbeplakaten, die teilweise nicht mal mehr indisch aussahen... Ist es nicht ironisch, dass die Menschen in Deutschland alles versuchen um braun zu werden, während die Inder versuchen ihre dunkle Haut heller zu kriegen?

All diese Gedanken wurden jäh von einem Rumpeln unterbrochen: Der Bus hatte eine Panne! Mitten auf einer sehr belebten Straße mussten wir aussteigen und kamen zum ersten Mal in den Genuss indischer öffentlicher Verkehrsmittel.

Der Bus auf den wir aufsprangen fuhr mit offenen Türen und hatte laut schallend das Radio an. Vorne bei der Fahrerkabine gab es eine Art Altar mit Bildern von Gottheiten umrahmt mit grell blinkenden Lichterketten. Diese bunt blinkenden Lichter (wie bei uns höchstens an Weihnachten) gibt es hier oft, was auf uns unglaublich kitschig wirkt.

Mit dem öffentlichen Bus fuhren wir zu einem Lokalen Tempel. Bevor wir das Tempelgelände betreten durften, mussten wir unsere Schuhe ausziehen. In den Tempel selbst durften nicht alle aus unserer Gruppe rein, da zwei Mädchen ihre Periode hatten und deshalb als unrein galten.

Nach dem Tempelbesuch war unser kleiner Bus wieder heile und wir fuhren zu den Sisters ins 'Good Shepherd Health Education Centre'. In das Projekt der Sisters wurden letztes Jahr auch zwei Freiwillige der Karl Kübel Stiftung geschickt, weshalb es besonders spannend war dort einen Einblick zu bekommen. Wir wurden von den liebenswürdigen Schwestern herzlich mit Blumen willkommen und über ihre Arbeit unterrichtet. Nach einem ausgiebigen Mittagessen, besuchten wir dann noch ihre Schule. Die Kinder dort sprachen sehr gut Englisch und sangen und spielten und redeten bereitwillig mit uns ('You are so beautiful!').

Mit ein paar der Sisters und dem Director fuhren wir dann in ein Dorf, dass von diesen unterstützt wird. Die Kinder kamen zum Abschied zum Bus gerannt und ergriffen unsere Hände und winkten, ein schöner Moment...

Das Dorf, in das wir fuhren, war sehr außerhalb gelegen, in mitten wunderschönster Natur. Die Menschen dort waren jedoch unglaublich arm und durch ihre Abgelegenheit weltfremd. Der Director erklärte uns, dass der Boden dort sehr nährstoffarm sei und das es deshalb für die Dorfbewohner schwer sei etwas Essbares anzubauen. Wenn es doch gelang, kamen angeblich Elefanten und zerstörten die Felder wieder. Die Dorfbewohner fragten uns, warum wir so hell seien, ob wir spezielles Make-Up benutzen würden oder krank wären.


Auf dem Rückweg ins KKID wurde es dunkel und unser Fahrer schaltete im Bus wild blinkende Partybeleuchtung und indische Musik an. Kurz bevor wir das KKID erreicht hatten, stoppte er jedoch plötzlich und schaltete alle Lichter, sowie die Musik aus. Wir alle sollten ganz still sein und schauten gespannt aus dem Fenster. Direkt vor uns lief ein riesiger Elefant auf der Straße auf uns zu, kurz bevor er den Bus erreicht hatte, bog er seitlich ins Gebüsch ab. Ein einmaliges Erlebnis!

Am nächsten Tag gingen wir endlich mit Malathi shoppen und durften danach ihre Familie besuchen. Ihre beste Freundin verpasste uns allen ein Henna-Tattoo auf die Hand und so ausgerüstet kamen viele wohl erst wirklich in Indien an!

Sonntagmorgen kamen wir nach unserer morgendlichen Yogastunde noch völlig verschlafen, mit zerzausten Haaren und gammeligen Klamotten zum Frühstücken und wer sitzt da? Unsere Mentorinnen: Mini und Tina! ...dabei wollten wir doch hübsch aussehen, wenn wir sie zum ersten Mal treffen!

Die nächsten Tage lernten alle Freiwilligen ihre Mentorinnen besser kennen und hörten schon einiges mehr über das jeweilige Projekt. Mini und Tina lachen beide unglaublich viel und wirken sehr modern, außerdem sprechen sie unglaublich gutes Englisch. Doch gerade weil sie so modern wirken, passiert es einem manchmal, dass man vergisst, dass man sich in einer ganz anderen Kultur befindet. Aber spätestens bei Aussagen wie „Was? Ihr seid drei Mädchen in deiner Familie. Deine arme Mutter. Da muss sie ja drei Maedchen unter die Haube bringen.“, merkt man doch, wo man sich befindet. Als Vertretung für unseren Director kam noch ein weiterer Mitarbeiter von KRWCDS: Mr. Ganesh, den wir mit seiner Frau schon einmal in Deutschland getroffen hatten.
An einem Abend schauten wir dann zusammen mit unseren Mentoren „Outsourced“, einen Film über einen Amerikaner, dessen Arbeitsplatz nach Indien verlegt wird und der gezwungen ist sich in die indische Kultur einzufinden. Wir Freiwilligen hatten den Film zwar bereits in Deutschland gesehen, trotzdem war es wunderschön ihn mit unseren Mentoren anzusehen und ihre Reaktionen zu beobachten. Obwohl der Film natürlich nicht die gesamte indische Kultur wiedergeben kann und teilweise auch übertrieben ist, gibt er ein paar humorvolle Einblicke in das indische Leben und wir glauben, dass wir doch einige Situationen aus dem Film gut nachempfinden konnten.

Dienstagabend gab es dann die 'Cultural Show'. Mentorinnen, sowie Freiwillige führten einiges auf, wobei uns auffiel, dass Inder Emotionen doch irgendwie ganz anders ausdrücken... Da wird nicht laut mit gelacht, enthusiastisch geklatscht oder vor Freude geschrien, das kann ganz schön verunsichernd sein!

Mittwoch ging es dann endlich endlich los in unsere Projekte. Der Abschied von den anderen Freiwilligen und dem KKID war hart, aber trotzallem war die Vorfreude groß! Von Coimbatore aus fuhren wir mit dem Zug bis Mangalore. Was für ein Unterschied zum Bahnfahren in Deutschland!! Wir hatten Schlafplätze und deswegen ein wenig mehr Platz, jedoch wurden wir ununterbrochen darauf aufmerksam gemacht, was uns alles geklaut werden könnte und das wir ja keine fremden Männer anschauen sollen und bloß nicht laut lachen oder gar laut Deutsch reden, dass alles könnte ja Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Leider hat uns dann doch ein junger Mann, etwa in unserem Alter angesprochen. Weil Mini und Tina ganz offen mit ihm geredet und gelacht haben, haben wir uns nicht viel dabei gedacht und (deutlich reservierter als unsere Mentorinnen) auch mit ihm geredet. Der erste große Fehler!

Der zweite Zug war noch weniger komfortabel, wir hatten nur noch knallharte Sitzbänke und der Regen lief unter den nicht ganz schließbaren Fenster durch auf unseren Schoß. Nach sieben Stunden hatten wir das Gefühl bleibende Schäden an unserem Gesäß davon getragen zu haben und waren froh, als wir endlich in Karwar ankamen.

Bei KRWCDS wurden wir gleich herzlich empfangen und allen vorgestellt. Wir haben ein Zimmer im Office, in dem wir noch bis Ende September bleiben werden, dann geht es endlich ab nach Joida und wir kommen nur alle zwei Wochen für ein Wochenende zurück.

Unser Zimmer ist eigentlich ganz hübsch. Wir haben ein kleines Bad (mit westlicher Toilette, aber ohne Toilettenpapier, ähem...) und einen kleinen Küchenbereich. Alles ist wunderbar rosa gestrichen und schimmelt im Monsunregen fröhlich vor sich hin.

Die ersten Tage hier waren recht ereignislos und haben sich ziemlich hingezogen. Wir haben einen Report nach dem anderen gelesen und ansonsten nicht viel gemacht ('Take rest! Take rest!')... Jetzt haben wir aber endlich die police registration hinter uns und durften mit Tina das erste Mal richtig nach Karwar reinfahren. Leider ging es Elena nicht so gut, weshalb wir nicht lange bleiben konnten. Es hat aber gereicht, um uns mit einem fetten Vorrat an Chips, Keksen, KitKat, Toilettenpapier, Obst und sogar (man höre und staune) Nutella einzudecken! 


1 Kommentar:

  1. Danke für diesen tollen Blogeintrag, der zum Träumen, Nachdenken und in Erinnerung schwelgen einlädt!
    Richtet der lieben KRWCDS-Family die besten Grüße von mir aus, ja?
    Ich freu mich schon auf die nächsten spannenden Berichte aus Incredible India:-)

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